Literatur in Grün

Heuer öffnet das Renaissanceschloss Deutschkreutz (im Besitz des Malers Anton Lehmden) seine Pforten zum siebenten Mal, um der Österr. Literatur eine angemessene Plattform zu bieten.

Lesungen:
– Franzobel “Österreich ist schön”/”Picus”/”Phantasia,Kinderbuch”
– Dine Petrik Lyrikband “wortreich.verschwiegen”/”Bibliotheca
Alexandrina”
– Sophie Reyer “baby blue eyes”/”insektizid”, unpubliziertes
Manuskript
– Franz Schuh “Querbeet”
– Katharina Tiwald “Die Messe”

“DER BRIEFWECHSEL” von Thomas Bernhard & Siegfried Unseld
Gelesen von Raimund Fellinger (Suhrkamp Verlag) und Dr. Martin Huber (Thomas Bernhard Archiv)

“AN DER BAUMGRENZE” von Thomas Bernhard, die Neuauflage
Gelesen von Martin Schwab/Burgtheater Wien

Moderation: Gabriele Madeja / BUCH WIEN Lesefestwoche

Literatur zum Anfassen in einer harmonischen Symbiose zwischen
Literaturgenuss, ländlichem Flair und geschichtsträchtigem Ambiente mit Inhalten von einer Qualität, die man sonst nur in Ballungszentren erlebt.

Das überregionale Publikum genießt hier neben der Begeisterung für
Literatur auch die Wirkungsstätte von Anton Lehmden, Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, der als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler Österreichs gilt.
Rahmenprogramm:
Spanien kulinarisch zu Gast / Vitikult präsentiert Spitzenrotweine
Riesiges Lesezelt im Schlosshof / Veranstaltung bei jedem Wetter !

“LITERATUR IN GRÜN 2010”
Datum: 12.6.2010, 13:00 – 19:00 Uhr
Ort: Schloss Deutschkreutz, 7301 Deutschkreutz

Der Literaturpapst ist 90: Marcel Reich-Ranicki

streitbar, witzig und pointiert- zum 90. Geburtstag (2. Juni) des deutschen Literaturkritikers: Zitate und was andere über ihn sagen:

“Manchmal ist eine Schreibblockade für die Leser ein Segen, das wollen wir nicht vergessen.”
(im “Literarischen Quartett” am 15. Dezember 1994)

“Viele Autoren und Kritiker hegen ein Misstrauen gegen unterhaltsame Literatur. Ich sage stattdessen: Literatur darf nicht nur unterhaltsam sein, sie muss es sogar!” (im “Focus”, 2010)

“Reich-Ranicki ist ein begnadeter bis peinigender Polterer, der eine ungeheure verbale Gewalt ausüben kann.” (Hellmuth Karasek im “Stern”, 2000)

“Die Angst vor der deutschen Barbarei, das habe ich auch in meiner Autobiografie geschrieben, hat mich ein Leben lang begleitet.” (in “Frankfurter Allgemeine”, 2009)

“Ohne Eitelkeit gibt es kein Schreiben. Egal, ob Autor oder Kritiker – Eitelkeit muss dabei sein. Sonst entsteht nichts. Thomas Mann war wahnsinnig eitel, Richard Wagner auch, und Goethe und natürlich Schiller. (in “Die Weltwoche”, 2009)

“Seine letzten Bücher sind so misslungen, dass er jetzt kaum noch Chancen auf den Nobelpreis hat.” (vor der Vergabe des Nobelpreises an Günter Grass, 1997)

“Aufrichtigkeit ist die erste Pflicht des Kritikers.” (in der Talkshow “Menschen bei Maischberger”, 2004)

“Ich denke täglich an den Tod.” (Reich-Ranicki im “Focus”)

“Der Kritiker ist kein Richter, er ist der Staatsanwalt oder der Verteidiger.” (Reich-Ranicki im “Literarischen Quartett” am 15. Dezember 1994)

“Wenn ein deutscher Schriftsteller ihn erhalten sollte, und dies habe ich schon vor Jahren immer wieder gesagt, dann ist Grass der Richtige gewesen.” (zur Vergabe des Nobelpreises an Günter Grass, 1999)

“Er verübelt Juden, dass sie überlebt haben. Das ist kein Antisemitismus, das ist schon Bestialität.” (in “Die Welt” über das Buch “Tod eines Kritikers” von Martin Walser. Nach einer Klage des Schriftstellers musste Reich-Ranicki diese Äußerung von 2005 formal zurücknehmen)

Anerkennung für 2 starke Frauen

Das Rektorat und der Senat der Akademie der bildenden Künste Wien verlieh in Fortführung der Idee einer über die Institution hinausreichenden Gemeinschaft die Ehrenmitgliedschaft an Maria Lassnig und Friederike Mayröcker.

Friederike Mayröcker © Heide Heide

Die beiden großen Künstlerinnen stünden “nicht nur für eine Erneuerung und einzigartige Leistung in ihrer jeweiligen Kunst – der Malerei/bildenden Kunst und der Literatur – sondern für eine von ihnen mit Nachdruck “erfundene” und vertretene Rolle von Künstlerinnen im 20. und beginnenden
21.Jahrhundert”.

Maria Lassnig © Sepp Dreissinger

Mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Maria Lassnig und Friederike Mayröcker würdigte die Akademie der bildenden Künste Wien deren große Verdienste und ihre Bedeutung für die zeitgenössische Kunst. Diese Ehrung will aber auch demonstrieren, wie dringlich an der Zeit die Anerkennung des Werkes von Künstlerinnen vor dem Hintergrund der bisherigen Ehrungen ist. In der Doppelehrung einer bildenden Künstlerin und einer Literatin, die beide eine Spitzenposition im künstlerischen Leben der Gegenwart einnehmen, drückt die Akademie der bildenden Künste Wien zudem ein Verständnis der Vielgestaltigkeit zeitgenössischer Kunst aus, das nicht nur durch epistemologische Imperative der Transdisziplinarität, sondern durch die große Geschichte des Hauses vorgebildet ist.
Die Liste der Ehrenmitglieder der Akademie der bildenden Künste Wien spiegelt die Geschichte dieser Institution auf beeindruckende Weise wider. Die Akademie wählte in einer über dreihundertjährigen Geschichte die zu Ehrenden aus den unterschiedlichsten Bereichen des öffentlichen Lebens und der Künste – darunter befinden sich berühmte Namen wie: Zar Nikolaus I., Goethe, Schnitzler, Canetti, David, Klimt, Moore und als bisher einzige Frau Louise Bourgeoise. Seit 2000 wurden keine Ehrenmitgliedschaften am Haus mehr vergeben – mit der Verleihung an Lassnig und Mayröcker will die Akademie ihre Tradition wieder aufleben lassen.

Im Herbst

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Eigentlich war zuerst das Bild da. Besser gesagt: die Spinne war zuerst da. Denn als ich das Foto machte, war sie nicht mehr da. Sie hat mir aber ein Netz hinterlassen, das im Dunst der herbstlichen Nebel auf mich eine besondere Faszination ausübte. Im Sommer bringt mich kein Spinnennetz zum ekstatischen Ausflippen. Da hängt es halt einfach so rum. Basta!

Aber im Herbstnebel, wenn die Tropfen für kurze Zeit im Netz hängen bleiben, wie auf der Perlenkette einer Ausnahme-Schmuckdesignerin, dann……
ja dann ist das eine ganz andere Sache!

Passend dazu fand ich:
Wilhelm Busch’s “Im Herbst”

Der schöne Sommer ging von hinnen,
Der Herbst, der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
So manches feine Festgewand.

Sie weben zu des Tages Feier
Mit kunstgeübtem Hinterbein
Ganz allerliebste Elfenschleier
Als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.

Ja, tausend Silberfäden geben
Dem Winde sie zum leichten Spiel,
Die ziehen sanft dahin und schweben
Ans unbewußt bestimmte Ziel.

Sie ziehen in das Wunderländchen,
Wo Liebe scheu im Anbeginn,
Und leis’ verknüpft ein zartes Bändchen
Den Schäfer mit der Schäferin.

Buch-“Wert”, aus aktuellem Anlass

Gestern riss mich eine Pressemitteilung aus meinem Selbstversuch, in diesem Jahr dem impertinenten Vorweihnachtskommerz zu entkommen und die subjektiven qualitativen Werte meines Lebens zu finden und zu pflegen. “Das teuerste Buch der Welt kostet 153 Millionen Euro” lautete die Schlagzeile, die aus vielerlei Gründen meine Neugier erweckte. Angesichts der Information im Text der Aussendung, dass es sich hierbei um ein neues Buch handelte, begann ich mich zu fragen, wie jemand diesen Wert festlegen konnte.

Was waren die Kriterien, die solch eine Bewertung hervorriefen? Handelte es sich bei dem Autor um einen Künstler, der den in der Bildenden Kunst üblichen Weg ging, und sein “Kunstwerk” nach seinen subjektiven Maßstäben bewertete oder gar den Preis als künstlerisches Statement festlegte?
Ich dachte nach über den messbaren “Wert” des Wortes, ob es nicht sehr vermessen wäre, einen Preis dafür festzulegen? Ich habe keinen Zweifel an der Macht des Wortes, an den Auswirkungen und Folgeerscheinungen seiner Benutzung, an den riesigen Möglichkeiten der im Laufe der Menschheitsgeschichte durch das Wort vermittelten und überlieferten Information – der Basis zur Erlangung unseres individuellen Wissens.

Mein Inneres sträubte sich – ähnlich ergeht es mir beim Lesen spektakulärer Auktionsergebnisse des Kunstmarktes, die mich manchmal schaudern lassen im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen den Lebensverhältnissen des Künstlers und des Käufers. Kann man sich mit dem Kauf eines wertvollen Kunstwerkes wirklich den Inhalt desselben einverleiben? Nein, würde ich meinen! Dieses Ansinnen erscheint mir wie der grandioseste Selbstbetrug.

In diesem Sinn zum ” teuersten Buch der Welt”.:

Originaltext der Pressemitteilung:
Das teuerste Buch der Welt kostet 153 Millionen Euro

Halle (ots) – Der in Deutschland noch unbekannte Autor Tomas Alexander Hartmann hat das bis dato teuerste Buch der Welt in das Verzeichnis der lieferbaren Buecher (VLB) aufnehmen lassen. Demnach hat das Buch “Die Aufgabe” (ISBN: 978-3-00-023396-8) 13 Seiten und ist mit dem Preis von 153 Millionen EUR verzeichnet. Es ist das mit Abstand teuerste und lieferbare Buch der Welt.

In der Schweiz ist Tomas Alexander Hartmann allerdings kein Unbekannter mehr. Seine dort bei der Buchbasel vorgestellte philosophische Dichtung ist von der Baseler Zeitung auszugsweise wiedergeben wurden, Hartmann selbst wurde dort als neuer Avantgarde Autor vorgestellt und mit Arno Schmidt verglichen.

Auf der Book Expo Amerika 2008 in Los Angeles vom 29.Mai bis 1.Juni 2008 wird das Buch “Die Aufgabe” erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ich beschloss, dem Autor zu schreiben und ihn um Aufklärung zu ersuchen, nachdem ich bei meiner Recherche keinerlei befriedigende Information über den Autor und seine Beweggründe finden konnte. Heute erhielt ich per email eine Antwort des Autors Tomas Alexander Hartmann:

Aktualisierung vom 23.12.2007

An dieser Stelle stand bis 23.12.07 das Antwort-Mail, welches ich von Tomas Alexander Hartmann zu meiner Anfrage erhalten hatte.
Obwohl ich in meinem Anfragemail an den Autor darauf hinwies, dass ich diese Anfrage aufgrund seiner erhaltenen Pressemitteilung (ich selbst bin – auch – journalistisch tätig und Mitglied einer großen Journalistenvereinigung) tätige, erhielt ich heute eine “Aufforderung zur Unterlassung” und lösche hiermit sein Antwortmail von diesem Platz.
Ein Mißverständnis?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Autor, der eine Pressemitteilung durch die Presseagenturen jagt, glaubt, eine Reaktion bzw Anfrage käme NICHT durch journalistisch Tätige sondern von einem Leser! (Woher hätte denn Otto Normalverbraucher das erfahren?)
Der Autor meint, er hätte mit seinem Antwortmail meine persönliche Neugier befriedigt, da ich mich nicht als journalistisch tätige Person “geoutet” hatte. – Dabei habe ich in meiner Anfrage nicht nur meine Adresse, sondern auch alle meine Kultur-blogs-Adressen (mit Link!) angegeben! Da sollte wohl doch klar sein, dass ich eventuell (zu diesem Zeitpunkt war das ja noch nicht sicher) darüber schreiben (bzw. “bloggen”) k-ö-n-n-t-e?!
Nun hab ich darüber geschrieben – und ich kann sagen, es ärgert mich maßlos, es getan zu haben!

Bin ich nun der originellsten PR-Kampagne aufgesessen? Ist mein Kommunikationsversuch bereits Teil des Kunstwerks “… teuerstes Buch…” ? Zahlreiche, original abgedruckte Pressemitteilungen (exakt obige!), abgedruckt in unzähligen Medien – ohne irgendwelche Hintergrundinfos (!) – konnte ich finden.
Bedeutet das, dass es gar nicht so schwer ist, mit Superlativen den “Mega”-Hype zu erzeugen?
Die Zeit wird es zeigen. Spätestens in einem Jahr werden wir alle wissen, welche “Magie” sich in dem teuersten Buch der Welt verbirgt!

bisher galten als “teuerste Bücher der Welt”:

wolfenbuettel_evangeliardeckel.jpgDas Evangeliar des Welfenherzogs Heinrich der Löwe,
1188 von Heinrich dem Löwen in Auftrag gegeben
– im Besitz der Bundesrepublik Deutschland
bei Sotheby’s in London am 6. Dez. 1983 als teuerste Handschrift der Auktionsgeschichte ersteigert
(32,5 Millionen DM)

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codex_aureus2.jpgDer «Codex Aureus»,
entstand um 1045 in der Benediktinerabtei Echternach

Das mittelalterliche Evangelienbuch ist vollständig mit goldener Tinte auf Pergament geschrieben
(ca. 80 Millionen Euro),
im Besitz des Germanischen Nationalmuseum

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Der “Codex gigas”, Liber per grandis, Gigas librorum oder auch Teufelsbibel.
Anfang des 13. Jahrhunderts geschrieben
Seit 350 Jahren liegt sie in der Königlichen Bibliothek Stockholm
( 90 Zentimeter hoch, Gewicht 75 Kilo) – kein Wert angegeben

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codex-leicester-2.jpgDer “Codex Leicester” von Leonardo da Vinci,
darin hielt Leonardo da Vinci auf 36 Seiten seine Studien zu Wasser, Erde und Himmelskörper fest.
im Jahr 1994 von Bill Gates erstanden
(24 Mio Euro)

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Die vierbändige Subskriptionsausgabe von Audubons “The birds of America”,
es erzielte bei einer Auktion im Jahr 2000 den Rekord-Preis von 8.802.500,- $.
Audubons 1826 erschienenes Werk ist gleichzeitig das grösste Buch der Library of Congress in Washington
es misst 2,5 Fuss im Quadrat
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Als eines der wertvollsten gilt der “Codex Manesse”,
die berühmte Heidelberger Liederhandschrift in mittelhochdeutscher Sprache.
Als das Buch 2006 zum Zwecke einer Ausstellung (die erste seit 15 Jahren) auf Reisen ging, musste es für 50 Millionen Euro versichert werden.

Nebelklausen und Dufträume

(Mein Textbeitrag anlässlich der Lesung “Winterzeit. … kein Winter unseres Missvergnügens…” am 30. November 07 im Nodbach-Atelier)

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Es begann mit dem Namen: „Winterzeit“
Rudi, Andreas und ich einigen uns auf den Titel der heutigen Veranstaltung – keine Gegenstimme! Auch Günter schreibt in seinem Mail, dass er sich schon mit möglichen Texten für die Lesung zum Thema “Winterzeit” beschäftige und dabei eine richtige Freude entwickle.
Angesichts der einhelligen Zustimmung beginne ich mich zu fragen, ob nicht vielmehr der Titel uns gefunden hat?
Ob wir mit diesem unspektakulären Wort – unbewusst – ins Schwarze getroffen haben – ins kollektive Schwarze sozusagen? In die verborgenen Tiefen unseres inneren Paralleluniversums, aufgeweckt durch mysteriöse Geheimcodes, die den Schläfer in uns wecken.
„Winterzeit“
Seit diesem Tag der Namensfindung geistern – mal gewollt und herbeigerufen, mal plötzlich wie aus dem Nichts auftauchend – Gedanken aus allen Richtungen durch meinen Kopf.
„Winterzeit“
Ich dachte mir sofort, dass es nicht zielführend sein kann, mit einer journalistischen Taktik an das Thema heranzugehen. Da war innerlich etwas, ein Gefühl, eine Ahnung – die immer mehr zur Gewissheit wurde: das ist ein Wort, das sich der objektiven Recherche entzieht. Viel zu emotional besetzt, viel zu viel Unbewusstes liegt in dem Wort, viele Möglichkeiten – je nach Aussprache:
„Winterzeit“
Ich bin kein Meteorologe, sachlich, mathematisch und statistisch dem entsprechenden saisonalen Zeitfenster begegnend. Ganz im Gegenteil: wenn die Wettervorhersage für morgen Schneefall prognostiziert, dann ist das alles andere als eine sachliche Information für mich. Schnee, weich, weiß, unschuldig, geborgen und – ich weiß, es klingt absurd: „warm!“
Warum gefallener Schnee in mir ein Wärmegefühl auslöst, mag ein erfahrener Psychologe analysieren. Fast hätte ich nun gesagt: „Ich will nur der Genießer der winterlichen Pracht sein!“ – aber das „nur“ scheint mir hier ganz fehl am Platz. Genuss ist ein winterliches Vergnügen, dachte ich.
„Winterzeit – Genuss-Zeit“
Persönlich assoziiere ich damit hauptsächlich die Zeit vor Weihnachten. Das hat wohl mit einer undefinierbaren Erwartungshaltung zu tun, an der sicherlich auch meine tief-katholische Kindheit schuld ist. Wenn man überhaupt praktischerweise jemand anderen die Schuld für die eigene Entwicklung zuschieben wollte.
Der Advent (lat.: adventus, Ankunft, bzw. advenit: er kommt) ist also die seit dem 7. Jahrhundert verkündete Ankunft des Erlösers. Dieses grandiose Versprechen – wer möchte nicht von allem erdenklichen Unheil erlöst werden? Ich will auf jeden Fall dabei sein! und was nicht hilft, schadet nichts, oder? – dieses grandiose Versprechen also muss ganz tief in meinem Unterbewusstsein schlummern, sonst wäre diese unlogische Verquickung mit im Grunde genommen sehr sachlich-logischen Begrifflichkeiten nicht so einschlagend unsachlich, oder?
Was meine Kindheitserinnerungen betrifft – auch die Folgejahre blieben davor nicht verschont – bin ich nicht sicher, ob nicht die Adventzeit, als Zeit der Versprechungen und Verheißungen, das einschneidendere Erlebnis war als der Ankunftstag selbst. Wie meist die Vorfreude auf ein Ereignis das größere Erlebnis ist, als das Ereignis selbst, dachte ich. Sicher, als Kind hast du den Heiligen Abend herbeigesehnt, wegen der Geschenke, auch, klar! Zugegeben, ein ziemlich eigennütziges Gefühl, das aber trotzdem immer mit einer inneren Gewissheit einherging, an etwas Großem, Unbeschreiblichen teil zu haben.
Der Zauber des Advent eben!
Mit wunderbaren Begleiterscheinungen: die Adventsonntage. Ruhige Tage, überschaubar und abzählbar, Adventkranz und Adventkalender.
Das Bedürfnis nach Ruhe und Stille liegt in der Luft, auch wenn es draußen nach Schnee riecht. Die Stille im Schnee hat etwas Mystisches und sollte unbedingt ausreichend zelebriert werden. Ein mitternächtlicher Spaziergang in knirschendem Schnee ist ein kontemplatives Highlight mit mehr energetischem Schub als jedes Amphetamin und jeder esoterische Workshop.
„Winterzeit – Ruhige Zeit“
Ich vermute, dass die Winterzeit – wie keine andere Zeit – eine Zeit der Emotionen und damit gleichzeitig auch die Zeit der stärksten Unterdrückung von Emotionen ist. Man gibt sich „cool“. Warum und weshalb, oder wer ist auf diesen Schwachsinn gekommen? Kein Mensch weiß das.
„Winterzeit – Zeit der Emotion“
Keine Frage, natürlich habe ich auch mit Rudi das kleine „Winterzeit“-Brainstorming gemacht. Es wurde zum verbalen Ping-Pong zwischen uns, wir haben uns die Worte zugespielt: Nebel, Licht, Geborgenheit, Gemütlichkeit, Wärme, Kerzen, Maroni, Ofenkartoffel, Holz, Wald, Rehe, Schnee, Eisblumen – die Liste war schier endlos. Zwei Romantiker uferten aus!
„ES“
brach aus!
Rudi sagt, er will wieder lange Haare haben „weil’s dann wärmer ist..“ O.K., auch ein Winterzeit-Zeichen, die Winterzeit-Frisur. Er hat heute mit seinem Flohmarkt-Thermometer schon den ganzen Atelierraum ausgelotet, „wo es am wärmsten ist“.
Am Fußboden hat es um 2 Grad weniger als auf dem Tisch.
„Auf der Decke ist es sicher total heiß“.
Wie gut, dass wir grad nicht da oben hängen, dachte ich.
„Was ich jetzt brauchen könnte, wär’ so ein Hemmingway-Ventilator, du weißt schon, was ich meine, einen sogenannten Wärmeverteiler“.
Ludmilla kümmert das nicht, sie liegt mit heißem Fell in ihrem Hundekorb direkt vor dem Ofen. Sie ist der einzige Hund den ich kenne, der die Hitze genießen kann – und manchmal kann man die Ateliertemperatur wirklich nicht mit Wärme beschreiben, das wäre in höchstem Maße untertrieben– ein „Winterzeit-Hund“ (auch im Sommer!) mit dem besten Gespür für die gemütlichsten Plätze. Nebenbei natürlich der kunstbeflissenste Hund mit viel Vernissagenerfahrung und Wissen über die Geheimnisse der künstlerischen Arbeit. Manchmal, wenn sie mich ansieht, neige ich dazu, ihr höchste Intelligenz zuzuschreiben und habe eine innere Ahnung, dass sie nicht jedem Argument, das bei Gesprächen im Atelier auftaucht, wohlwollend gegenübersteht. Ich weigere mich, diesen Blick als ständige Aufforderung zum Füttern und Streicheln anzusehen.
Lutsch, ich glaube an deine Intelligenz! Und ich weiß, du freust dich über den Winter.
„Winterzeit – Hundekälte? – Hundewärme!!!“
Das Holz knistert, wir schreiben. Ö1 läuft im Hintergrund. „Der Winter ist eine typische Ö1-Zeit“, hat Rudi unlängst behauptet. Ich habe ihm zugestimmt.
„Winterzeit“ – Radiozeit, dachte ich.
Es läuft „Musik aus allen Richtungen“. Heute liegt Nebel aus allen Richtungen, dachte ich.
Der Nebel ist ein großartiger Architekt, geht mir durch den Sinn. Er schafft Räume. Mobile Nebelräume, die sich mit dir mitbewegen, als eine mobile Intimität, die der Sommer nicht kennt. Im Nebel ist dein Raum abgegrenzt und doch flexibel, dachte ich.
Nebelräume – Denkräume.

Frischer Wind weht ins Atelier, Vera kommt hereingeschneit.
„Winterzeit – Besuchszeit“, denke ich.
Irgendwann frage ich Vera, was sie mit den Worten „Winter“ und „Advent“ verbindet.
„Na, nur jo net!“
„Hhhmmm???“
„Diese aufgesetzte Melancholie!“
Vera geht pragmatisch an die Sache heran. Scheint, ich habe sie „kalt erwischt“, sozusagen.
„Na ja, es hat schon was Eigenartiges“.
Aha, wir kommen der Sache schon näher, dachte ich.
„Ich mag das ‚zur Ruhe kommen’ und
„da ist diese Bedürfnis nach Einheizen“
Hhhmmm, na ja, es ist kalt, denke ich logisch und mit wenig Emotion.
Aber nun sprudelt die Emotion aus Vera:
„Räuchern, Kerzen anzünden, Kastanien, Kekse, gemütlich machen, ‚mi Hinhaun’, lesen, ….“
Die winterliche Gemütlichkeit hat Veras Gedanken mollig umhüllt.
Ich kenne das, da gibt’s kein Entrinnen! Das ist wie ein Sog, der ganz unschuldig mit einem kleinen Wort beginnt und dich unweigerlich hineinzieht.
„Es ist früher finster“, meint Vera und spricht es in einem warmen Ton aus, der mir eine Ahnung lässt, wohin ihre Gedanken gehen – und meine sind in diesem Moment auf dem selben Weg. Eine Symphonie der Gedanken. Und plötzlich steigert sich diese Symphonie zum Finale, zum absoluten Höhepunkt:
„Nebelklause und Dufträume!“ strömt es aus Vera und ich stimme erstaunt und begeistert dem Ergebnis dieser verbalen und emotionalen Metamorphose zu.
Whow! Vera! Merci beaucoup!
Das sind zwei absolut qualitative ergänzende Codes, geeignet, uns vom aufoktruierten Weihnachtskommerz zu befreien und uns ankommen zu lassen!

Auf dass nicht nur ER, sondern auch wir bei uns ankommen!

oder – wie ein unbekanntes Sprichwort sagt:
„Auch wenn man kein heller Kopf ist: in der Adventszeit geht einem ein Licht nach dem anderen auf.“

Was ich mir für uns alle zu diesem Zweck als ideale Operationsbasis vorstellen kann sind „Nebelklausen & Dufträume!“

…gibt es das EINE Lieblingsbuch?

Einerseits hat mich diese Einladung sehr gefreut. Andererseits in einen – fast – aussichtslosen Gewissenskonflikt gebracht. Ich wurde mit einer Reihe von anderen Lesegästen dazu eingeladen, im Rahmen einer österreichweiten Aktionskampagne “Österreich liest” mein Lieblingsbuch vorzustellen.
Nun muss ich, mit großem Erstaunen für mich selbst, feststellen: mein erster Versuch, nur ein einziges Buch zum Lieblingsbuch zu küren, ist kläglich gescheitert! Und ich bin davon überzeugt, dass ich, vor die Wahl gestellt, ein einziges Buch als Überlebensmittel für die obligate einsame Insel auszuwählen, mit 100%iger Wahrscheinlichkeit dem großen Ertrinken ausgeliefert wäre.

Wie kann ich einen Gedankenstrang, der in einem spannenden oder amüsanten schriftstellerischen Werk meine eigenen Gedanken beflügelt und meine Phantasie entfacht oder im besten Sinn sogar hilfreich einen Lösungsansatz für einen akuten problematischen Fall anbietet oder sogar meine Gedanken von angesammeltem Datenmüll erlöst und mich für eigene Lösungen frei macht – wie könnte ich eines dieser Bücher aussparen? Sollte ich ein Buch auswählen, dass eventuell nur meiner subjektiven Einstellung zu Humor, Kunst oder Wissenschaft steht? Ja, wird dann irgendjemand das überhaupt nachvollziehen können? Oder sich eventuell sogar zum Lesen desselbigen animieren lassen?

Überlegungen über Überlegungen – eine seltsame Passion meinerseits. Nachdem ich mich dabei selbst beobachtet habe und feststellte, dass diese Zeit der Überlegungen über mögliche Auswirkungen meiner Buchwahl viel gewinnbringender für mich verlaufen wäre, hätte ich sie mit dem Lesen eines Buches verbracht, wurde die Auswahl einfacher. (Inzwischen bekam ich auch ein mail der Bibliothekarin, auch ein zweites Buch wäre kein Problem. Welche Erleichterung!)

Ich beschloss also, 4 (!!!) Bücher mitzunehmen: aus dem erstgewählten kann ich unmöglich vorlesen, dieses werde ich nur haptisch präsentieren. Eine Lesung daraus würde in ein tragisch-komisches Kabarett ausarten. Schon beim – wieder einmal – Hineinlesen musste ich nach den ersten beiden Seiten aufgeben, Tränen vor Lachen haben mein Sehvermögen getrübt und das eigene Gelächter hat mich total erschüttert. Es ist ein Buch für den Single-Leser und nur für absolut humorlose und kunstdesinteressierte Zeitgenossen zum Vorlesen geeignet! Ich liebe es, denn ich finde sehr viele Parallelen zu meinem beruflichen Umfeld darin.
Der Schleier sei gelüftet:

“Ephraim Kishon: Picassos süße Rache”. Das mir sehr gut bekannte Umfeld im Reich der Kunst – vom Künstler, über den Kunstmarkt bis zu den Kunstkritikern – in einer satirischen Meisterleistung, von einem geschrieben, der die Kunst liebte und die Szene sehr genau beobachtete. – aus diesem Buch werde ich aus Sicherheitsgründen nicht vorlesen!

Buch Nr. 2 ist natürlich auch mein Lieblingsbuch (obwohl ich von diesem Autor auch noch andere Lieblingsbücher habe). Es diente und dient mir im Laufe der Jahre immer wieder als Quelle der Inspiration – sowohl was den Inhalt alsauch die Sprache betrifft, in der es geschrieben ist. Und es ist verblüffend wie viele darin getätigte Beobachtungen und Aussagen noch immer höchst aktuell sind. Und auch dieses Buch ist für Kunstinteressierte – aber nicht nur für diese – eine Offenbarung:

“Thomas Bernhard: Alte Meister” – ein Kunst-Literatur-Genuss! – mein Vorlese-Buch!

Buch Nr. 3 erhielt ich vor einigen Tagen als Geschenk von einem Kollegen aus Deutschland, der sich auch sehr intensiv mit bildender Kunst beschäftigt, im besonderen mit Bildhauerei. Er beschenkte mich mit

“Hanno Rauterberg: Und das ist Kunst?”

in das ich mich zwar erst kurz einlesen konnte, dessen Thesen aber eine große Hilfe darstellen, sich im Dschungel der Gegenwartskunst zu orientieren. Rauterberg’s Buch trägt den Untertitel “Eine Qualitätsprüfung” und wenn man seine Artikel in “Die Zeit” kennt, weiß man, dass in diesem Buch auch Qualität drinsteckt! Dieses Buch wählte ich aus Anlass seiner Aktualität. – mein “Zeige”-Buch!

Buch Nr. 4 ist etwas für Spezialisten oder wissbegierige Einheimische. Es ist eine neue wissenschaftliche Arbeit aus dem Bereich Kunstgeschichte, die jeder Burgenländer (natürlich auch jeder Kunstliebhaber), der gerne am St.Margarethener Hügel in der Skulpturenlandschaft des 1. Internationalen Bildhauersymposions spazierengeht, kennen sollte. Und ich kann mir auch vorstellen, dass das Interesse an diesem Werk sehr groß sein wird. Wir Burgenländer sollten stolz darauf sein, in unseren Reihen einen so überragenden künstlerischen Visionär, der international Kunstgeschichte schrieb als Gründungsvater der Bildhauersymposien weltweit – auf welche die nachfolgenden Symposien in aller Welt in ihrer Geschichte hinweisen – international höchst anerkannt und mit den weltweit höchsten Preisen ausgezeichnet und leider, in unserem Land wenig beachtet: Karl Prantl, Bildhauer, wohnhaft in Pöttsching.
Das Buch, ein wahres Geschenk anlässlich des anstehenden 50jährigen Gründungsjubiläums (1959 gründete Karl Prantl das 1. Internationale Bildhauersymposion, in St.Margarethen) räumt mit diffusen kursierenden Gerüchten auf :

Jutta Birgit Wortmann: “Bildhauersymposien: Entstehung – Entwicklung – Wandlung”
dargestellt an ausgewählten Beispielen und ergänzt durch Gespräche mit Beteiligten (eine CD mit den Original-Interview-Texten als pdf liegt bei – spannend, informativ!!!)
Verlag: http://www.peterlang.de
– mein “Missions”-Buch!

ich selbst habe seit langer Zeit eine Webseite zum Thema: Bildhauersymposion St.Margarethen

Der Dienstag kann kommen – ich bin gerüstet!

Na komm, Tabori, wieso tust du mir das an?

Seit einigen Tagen kreisen meine Gedanken immer wieder um den Menschen George Tabori. Nicht allein den Schriftsteller, Theatermacher, Regisseur. Nein, der Mensch Tabori, vor einigen Tagen gestorben, beschäftigt mich dermaßen – ich könnte fast sagen “der Tabori-Virus” hat mich befallen. Die Begleiterscheinung ist ein temporärer Anfall von Trauer.
Obwohl: ich bin ihm nie begegnet! Vielleicht gerade deswegen, die verpatzte Chance. Unwiderbringlich dahin, keine Möglichkeit mehr zu einer Begegnung?
Auslöser war eine TV-Dokumentation anlässlich seines Todes. Da wurde mir klar, dass ich von George Tabori, dem Menschen, der Privatperson noch so viel hätte hören wollen! (Der Leser dieses Beitrages bemerke bitte den Unterschied: “von” Tabori – nicht “über” Tabori!)

Selbstverständlich sind da noch seine zahlreichen Theaterstücke, Filme, Bücher, etc. – aber das alles meine ich damit nicht! Als ich vor dem Fernseher saß und ihm zuhörte, wie er über seine Kindheit, Jugend, seine Familie, seine Kollegen – kurz: über die Menschen sprach, die ihm im Laufe seines langen Lebens (er starb 93jährig) begegneten – – ich war zutiefst beeindruckt, mit welcher liebenswürdigen, warmherzigen Toleranz, Offenheit und Klarheit er über Sie sprach. Keinen Unterschied machend zwischen Freund und Feind, keine Kategorien. Vielleicht nur beobachtende Neugier. Nicht wertend. Sollte es etwas ähnliches geben, wie ein menschliches Qualitätssiegel – er hat gewiss die Güteklasse I!

Wahrscheinlich haben sie ihn dringend gebraucht, da oben? Scheint nicht viel Positives zum Beobachten zu geben, da oben? Ja, seid froh, nun habt ihr jemand, der eure Gedanken wieder in gute Bahnen lenkt!
Aber entschuldigt, hmmhh???!!! WIR brauchen doch dringend menschliche Vorbilder!

Ich hätte ihn so gerne noch mehr erzählen gehört.
Na ja, bis irgendwann, demnächst, George! Nach dem kurzen Erdendasein. Freu mich schon auf dich!

Weblink: Lesenswerter Nachruf in “Die Zeit”

Symposium Maria Saal: alle Künste vereint…

lampers.jpgDas Internationale Maria Saaler Bildhauersymposium (vom 28. Juni bis 7. Juli 2007 in Maria Saal, Kärnten) zollt in seinem Rahmenprogramm dem 2002 verstorbenen Komponisten
Gerhard Lampersberg (bzw. Lampersberger) Tribut:

Anlass ist der 79. Geburtstag des Komponisten und Mäzen.
(Bild links: Gerhard Lampersberg)

Bereits zum 6. Mal findet die Zusammenkunft von Bildhauern aus dem Alpen-Donau-Adria-Bereich statt und bisher war jedes Symposium auch gekennzeichnet durch eine kreative Zusammenarbeit von bildender und darstellender Kunst, Musik und Literatur.

Ein literarischer Leckerbissen wird am Donnerstag. 5. Juli, 20 Uhr 30 serviert:

  • Heiner Hammerschlag, umtriebiger Organisator des Maria Saaler Bildhauersymposiums, liest aus der, Ende 2007 erscheinenden, großen Maria Saaler Gemeindechronik.
  • Irina Lino liest aus : Christine Lavant “Brief an Maja und Gerhard Lampersberg”
  • Dazu gibt es Töne, Gegentöne und Bilder

zu “Brief an Maja und Gerhard Lampersberg” von Christine Lavant:

lavant.jpgChristine Lavants Briefpartner sind einem größeren Publikum seit der Affäre um Thomas Bernhards Roman “Holzfällen” bekannt: Der 2002 verstorbene Komponist Gerhard Lampersberg und seine Frau Maja, eine Sängerin, unterhielten in den fünfziger und sechziger Jahren in Maria Saal ein sehr gastfreundliches Haus, den mittlerweile legendären Tonhof, in dem Komponisten, Maler und Schriftsteller – von H. C. Artmann bis Peter Turrini, von Jeannie Ebner bis Wolfgang Bauer – aus und ein gingen. Die Kärntner Landsmännin Christine Lavant wurde 1957 von Thomas Bernhard auf dem Tonhof eingeführt, der drei Jahrzehnte später in der Notiz zu einer von ihm bei Suhrkamp herausgegebenen Gedichtauswahl über seine Freundin sagte, sie habe “bis zu ihrem Tod weder Ruhe noch Frieden gefunden” und sei “in ihrem christlich-katholischen Glauben zerstört und verraten” gewesen.

Was Bernhard meinte, spricht auch aus Lavants Briefen, und das, obwohl sie ganz den Adressaten zugewandt und auf unkonventionelle Art herzlich sind. An Maja, die sie mit “mein liebs, liebs Mietzele” tituliert, schreibt sie: “weißt, ich häng nämlich wirklich an Euch, besonders an Dir, und das hat an sich mit dem Tonhof nichts zu tun, den hab ich wieder ganz anders, ganz für sich selbst gern wie ein altes, altes Daheim. Aber ich tät Euch dann grad so gern haben, wenn Ihr irgendwo arme ‘Inwohnerleut’ wäret, und deshalb bin ich so froh über Deinen lieben Brief. Es ist nämlich kein Getu oder ein Sich-rar-machen-wollen, wenn ich nicht von mir aus Euch heimsuchen will (…). Ich weiß nämlich, daß ich nur dann zu ertragen bin, wenn man mich mag.”

“Getreue, wunderbare Freunde” sind die Lampersbergs für Christine Lavant, “gewaltige Herausreißer” aus ihrem “Elendsgeflecht”. Doch gilt solche Verbundenheit auch umgekehrt. Berichtet Maja Lampersberg von Problemen in ihrer Ehe, erinnert Christine Lavant sie daran, dass ihre “Höhle” – die Dachkammer – ihr jederzeit offen stehe; es könne gar keine Lage geben, in der sie nicht “absolut” zu ihr halte.

Auch die Äußerungen von Peter Turrini bezüglich der Lampersbergers ähneln in keiner Weise der Veröffentlichung des “beleidigten” Thomas Bernhard. Dieser zeichnete ja ein vernichtendes Porträt der Mäzene Lampersberger, die Peter Turrini bis heute sehr schätzt: “..meine ästhetischen Erzieher” und “Bernhards Roman Holzfällen ist ein großartiges Buch, aber eine menschliche Schweinerei – er hat jahrelang von der Unterstützung der Lampersbergers gelebt. Aber es steht ja nirgends geschrieben, dass Talent und Charakter die Waage halten müssen…”..

Obwohl die Lavant, recte Thonhauser, ihre Lebensnöte herunterspielt, werden sie aus diesen Briefen mehr als deutlich: Die eingesperrte Existenz in St. Stefan im Lavanttal, in der Einzimmerwohnung, die sie – wie dem kompakten Nachwort der Herausgeber zu entnehmen ist – mit ihrem Mann, dem Maler Josef Habernig teilt. Von ihm hat Christine Lavant sich seit ihrer innigen Beziehung mit dem Kärntner Maler Werner Berg offenkundig abgewandt. In ihrer Korrespondenz spricht sie vom Ehegatten stets per “Er”, “Habernig” oder “Herr H.”, wogegen sie Bernhard “das Thomasle” nennt.

Von Pflichten gegenüber ihrer armen Schwester und deren Kindern, vom Nicht-weg-Können und Sich-Verkriechen, von körperlicher und seelischer Krankheit, von Tabletten ist viel die Rede, und doch zeugt der Band auch von Lavants Vitalität und Humor, die sich gerade in ihrer ungekünstelten, betont dialektalen Ausdrucksweise manifestieren. “Kunst wie meine ist nur verstümmeltes Leben” lautet der Titel einer älteren Text- und Briefsammlung. Auf ihr Werk kommt Christine Lavant in ihren Briefen an die Lampersbergs nicht zu sprechen, eine fundamentale Schaffenskrise wird nur beiläufig erwähnt. In all ihrem Unglück blüht sie aber in der Rolle der Ratgeberin und Trostspenderin auf, die sich in den Seelenzustand ihrer Freunde empathisch versenkt und eine (auch durch Gerhard Lampersbergs Alkoholsucht) mancherlei Belastungen ausgesetzte Ehe wohlwollend und mitfühlend begleitet.

Christine Lavants Briefe an die Lampersbergs sind natürlich ein Zeugnis für die besondere Treibhausatmosphäre, die Exponenten eines weltoffenen Kärntner Landadels für die zeitgenössische Kunst zu schaffen imstande waren (an Traditionen anknüpfend, von denen etwa auch ein Alexander Lernet-Holenia oder ein Michael Guttenbrunner zehrten). So gesehen, ist diese Publikation auch eine Art literarhistorische Wiedergutmachung für Thomas Bernhards unbarmherzigen Schlüsselroman. Und nicht zuletzt ein dringlicher Hinweis auf Christine Lavants lyrisches Werk.

Gerhard Lampersberg (eigentlich Lampersberger), geboren am 5. 7. 1928 in Hermagor (Kärnten), gestorben am 29. 5. 2002 in Klagenfurt (Kärnten). Der Komponist und Lyriker trat vor allem als Mäzen zahlreicher österreichischer Schriftsteller hervor. So beherbergte er ab den 50er Jahren H. C. Artmann, Thomas Bernhard, Gert Jonke und Peter Turrini auf seinem “Tonhof” bei Maria Saal in Kärnten. Besonders mit Thomas Bernhard verband ihn eine Haßliebe. 1984 ließ Lampersberg den Roman “Holzfällen” seines ehemaligen Protégés einziehen (mehr dazu hier), da er sich in der Figur des Webern-Nachfolgers wiedererkannte. 1987 rechnete Lampersberg dann auch literarisch mit Bernhard ab: Er publizierte im Ritter-Verlag seine “Perturbation”. Die enge Verbindung zur Literatur spiegelt sich auch in seinem musikalischen Schaffen wieder. Neben der Bearbeitung und Vertonung großer Klassiker (von Sappho über Shakespeare bis hin zu Lorca) vertonte er auch immer wieder Werke seiner “Schützlinge” vom Tonhof.
Lampersberg wurde am 31. 5. 2002 in Maria Saal (Kärnten) beerdigt.

Christine Lavant: “Briefe an Maja und Gerhard Lampersberg”
Herausgegeben von Fabjan Hafner und Arno Rußegger.
Salzburg, Wien: Otto Müller, 2003.
166 S.; geb.; ca. Euro 17,-.
ISBN 3-7013-1072-6

TOP AKTUELL!!!
“Wie wahr darf Kunst sein?”, Artikel zum Thema Lampersberger-Thomas Bernhard,.. in der FAZ, vom 3. Juni 2007

my personal feed-passion: multi-tasking René Desor

Fast täglich beobachte ich, ob’s bei ihm was Neues gibt: René Desor

Er ist einer der wenigen,  die kompetent in mehreren “Lagern” künstlerisch zuhause sind – in der bildenden Kunst und in der Literatur. Bemerkenswert an seinem blog finde ich die logische Verbindung seiner Ölbilder, Grafikarbeiten oder Fotografien mit seinen Texten. Meist erzählen sie, unabhängig voneinander, die gleiche Geschichte. Diejenigen, die in Beiden lesen können, können frei ihr Erzählmedium wählen.

z.B. seine Geschichte über ein Foto in einer New Yorker Galerie, welches er vor 17 Jahren gemacht hat und welches er in diesem Jahr in Italien als Plakat entdeckt hat. –
Zufall?
ZU FALL!
Ich denke, es fällt nur demjenigen etwas zu, der die Augen offen hält und  auch die Fähigkeit besitzt, diese Zufälle zu vernetzen.

oder seine Gedanken zum Nitsch-Komplex: gehört – gedacht – geschrieben – gemalt

so, jetzt schau ich aber wieder nach bei ihm – ob er grad malt oder schreibt?